Crisis? What Crisis? – Editorial #9/2022

Ein Job in der Medienbranche? Lieber nicht… jedenfalls könnte man so eine aktuelle Branchen-Diskussion betiteln, ausgelöst von dem (Ex-)Jungjournalisten Janosch Tröhler, der kürzlich einen vieldiskutierten Beitrag zu seinem Branchenwechsel unter dem Titel „Abschied aus den Medien: Ich bin froh, dass ich raus bin“ veröffentlichte. 

Mediencoach Attila Albert prognostiziert prompt eine „Flucht der jungen Leistungsträger“  und weiter: „Früh Karriere gemacht, bald aber erschöpft, frustriert und enttäuscht. Auffällig viele junge Medienprofis verlassen die Branche nach einigen Jahren bereits wieder, während ihre Chefs und älteren Kollegen bleiben.“

Auf der anderen Seite steht die zunehmende Zahl an Führungskräften aus Verlagen, die sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sie qualifizierten Nachwuchs oder kompetente Fachkräfte ins eigene Haus bekommen und halten sollen. 

Beides zusammengenommen zeigt sich ein Trend, der sich aktuell massiv verstärkt: ein schrumpfender Arbeitnehmer:innenmarkt, der auf einen Arbeitgeber:innenmarkt trifft, der an Attraktivität verliert und eigentlich im Moment auch mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen hat, von Papierpreis über Inflation bis Digitalisierungsunvermögen. 

Fakt ist – und wurde an dieser Stelle auch in anderen Kontexten schon betont: die Medienlandschaft ist divers – was Größe, Struktur, Angebotspalette, Grad der Digitalisierung und viele Faktoren mehr angeht. Das macht es vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen nicht einfacher im Wettbewerb. Nun muss es aber nicht immer der (vorhandene oder fehlende) berühmtberüchtigte Tischkicker sein, der den Ausschlag gibt. Ein Bewerber:innen-Management, ein Recruiting, das serviceorientierter ist, wäre ein Anfang. Gerade beim Thema „Nachwuchs“ macht sich dessen Fehlen fatal bemerkbar: Ich kann jedem nur empfehlen, einmal einen studentischen Jahrgang zu den Erfahrungen mit Personalabteilungen in Verlagen zu befragen – Fremdschämen ist inbegriffen. Erschreckenderweise hört man genau dieselben Beschwerden, spricht man mit älteren, erfahrenen Kolleg:innen, die auf Jobsuche sind. 

Vielleicht wäre es bei „Young Talents“ auch sinnvoll, weniger auf den eigenen kulturverbrämten Nimbus als „Verlag“ zu pochen, sondern den Unfug mit endlosen Volontariaten und Praktika zu beenden. Wer feststellen möchte, ob ein Bewerber oder Bewerberin passt, für den gibt es das Instrument der Probezeit. Alles andere ist Ausbeutung einer billigen Arbeitskraft und auch Respektlosigkeit.

Es wird Ihnen vermutlich keine Hilfe sein, aber Sie respektive Ihr Unternehmen werden sich zukünftig massiv ins Zeug legen müssen, um die richtigen Mitarbeiter:innen zu bekommen (und auch zu halten). Arbeit wird in westlichen Gesellschaften ein knapperes Gut werden, der Kampf um Mitarbeitende hat gerade erst begonnen. Strengen Sie sich an!

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre,

Steffen Meier
Herausgeber
DIGITAL PUBLISHING REPORT

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