Die im Dunkeln sieht man nicht …

Steffen Meier über Spannungen von KI-Unternehmen und Medien.

„Denn die einen sind im Dunkeln / Und die anderen sind im Licht. / Und man siehet die im Lichte / Die im Dunkeln sieht man nicht.“ Erraten? Genau, der gute Bertolt Brecht und ein Zitat aus der Dreigroschenoper. Diese Zeilen scheinen symptomatisch für den sich immer mehr abzeichnen Streit zwischen Medienunternehmen und KI-Akteuren wie Perplexity, OpenAI oder Google. Und die Ambivalenz dahinter, denn beide Seiten wollen und können nicht ohne einander.

Mitunter reicht man sich die Hand: OpenAI und der Weltverband der Zeitungsverlage (WAN-IFRA) haben eine Partnerschaft angekündigt und das Programm „Newsroom AI Catalyst“ ins Leben gerufen. Dieses Programm zielt darauf ab, über 100 Zeitungsverlagen dabei zu helfen, künstliche Intelligenz zur Steigerung der Effizienz in Nachrichtenredaktionen und zur Förderung hochwertiger Inhalte zu nutzen. Insgesamt werden 128 Nachrichtenredaktionen weltweit unterstützt.

Oder man reicht sich den Fehdehandschuh: WIRED beschuldigt Perplexity (übrigens nicht die erste Anschuldigung dieser Art), trotz des aktiven Robots Exclusion Protocol (eine Art Türsteher für Crawler der KI-Unternehmen), die eigenen Inhalte durchsucht zu haben. Bezeichnend auch die Reaktion des Missetäters: der CEO von Perplexity, Aravind Srinivas, verteidigte die Praktiken des Unternehmens und betonte, dass Missverständnisse über die Funktionsweise des Internets und der KI-Technologie zu den Vorwürfen führten. Ein Narr, der Übles dabei denkt …


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Dazu kommen noch die Verschiebungen im Suchmaschinenmarkt, will heißen, Google und Co. wollen ein größeres Stück des Werbe- und Medienzeitvolumens, indem – vereinfacht ausgedrückt – immer mehr an Informationen auf den Suchmaschinenseiten geliefert wird, während im Gegenzug der Traffic etwa zu den Medienseiten rapide abnimmt. Branchenexperte Brian Morrisey dazu: „In all my years tracking the uneasy relationship between publishers and Google, I’ve never heard more frustration from publishers. Mostly this stems from Google’s pivot to unreliability. The clumsy rollout of AI Overviews is a case in point. The algorithm updates have rankled many publishers to the point of exasperation. These frustrations have simmered below the surface for some time as Google has kept more traffic within its walled garden … „They’ve changed the bargain,” said Neil Vogel, CEO of Dotdash Meredith. “Now, they’ve taken our content to compete with us.“

Fairerweise muss man dazu sagen, dass wir hier nicht nur über Ambivalenz in der Geschäftsbeziehung reden, sondern auch über eine ordentliche Portion Bigotterie – immerhin haben gerade große Medienunternehmen über lange Zeit von diesem symbiotischem Tauschgeschäft (Content gegen Traffic) ordentlich profitiert.

Während sich zwischen Tech-Unternehmen und Medien also die Spannungen vergrößern, sind Lösungen wie die im Newsroom AI Catalyst-Programm exemplarische Kompensation nur der Wassereimer, der beim Hausbrand zum Einsatz kommt: unzureichend. Inzwischen mehren sich nämlich Stimmen, die darauf hinweisen, dass viele der Kompensationslösungen nur auf die Big Player angewendet werden. Aber was ist mit den mittleren und kleinen Unternehmen, die gar nicht gefragt werden, aber ebenso unter Content“klau“ und dramatischen Traffic-Einbußen leiden? Wie sagte der Augsburger Dichter nochmal? „Die im Dunkeln sieht man nicht“ …

Steffen Meier

Co-GF DIGITAL PUBLISHING REPORT 

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