In den USA hat gerade mit HarperCollins der erste der Big-5-Buchverlage einen Deal zur Lizensierung von Verlagsinhalten abgeschlossen. Der Abschluss hat kontroverse Diskussionen ausgelöst – und wird auch hierzulande mit großem Interesse verfolgt. Susanne Barwick, stellvertretende Justiziarin im Börsenverein, im Interview.
Mit welchen Eindrücken beobachten Sie diese Entwicklung rund um HarperCollins? Ist das ein „guter Deal“?
In der Vergangenheit haben KI-Unternehmen ihre Modelle mit urheberrechtlich geschützten Werken trainiert, ohne dafür die Einwilligungen von Urheber:innen und Rechteinhaber:innen eingeholt zu haben. Ob dies eine Urheberrechtsverletzung ist, hängt nach der Rechtslage der USA davon ab, ob das Training von generativer KI mit urheberrechtlich geschützten Werken unter „Fair Use“ fällt. Entsprechende Klagen sind in USA ja bereits anhängig. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich zu begrüßen, dass KI-Unternehmen nun mittlerweile bereit sind, Lizenzen einzuholen und sich nicht auf „Fair Use“ berufen. Ob hier ein „guter Deal“ vorliegt, lässt sich ohne Kenntnis von Details, z.B. zu der Art des Modells und zur geplanten Nutzung der Werke, aber nicht einschätzen.
Sehen Sie im Thema KI-Lizensierung eher Chancen oder Risiken für Verlage aktuell?
Das lässt sich so allgemein nicht beantworten. Auch deutsche Werke wurden in der Vergangenheit illegal zum Training generativer KI genutzt und höchstwahrscheinlich ist dies auch heute noch der Fall. Daher ist Lizenzierung zu begrüßen. Aber natürlich kommt es auf die Bedingungen an: Welches Genre verlege ich? Habe ich Werke, die aufgrund ihrer Aktualität und Fakten besonders wertvoll sind? Welches Modell soll zu welchem Zweck trainiert werden? Wie hoch ist die Gefahr, dass das Modell im Output Teile des Werkes wiedergibt? Können Konkurrenzprodukte entstehen? Könnte mein primäres Geschäftsmodell gefährdet werden? Geht es um unternehmensinterne Nutzungen oder werden Modelle der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt?
Wie schätzen Sie die aktuelle Bereitschaft von Verlagen sowie Autoren ein, solche Licensing-Deals abzuschließen?
Hier gibt es sicherlich Unterschiede zwischen Wissenschafts- und Publikumsverlagen. Wissenschaftliche Verlage und ihre Autor:innen scheinen mir hier eher bereit zu sein, bestimmte Lizenzen zu vergeben. Es kommt aber immer auf die Interessenlage im Einzelfall an.
Was raten Sie Verlagen in diesem Prozess, worauf sollten sie besonders achten?
Letztendlich handelt es sich um individuelle geschäftliche Entscheidungen, zu denen wir als Verband keine Ratschläge erteilen.
In den USA ist seit dem Deal eine Kontroverse ausgebrochen, insbesondere unter Autoren. Erwarten Sie hierzulande ähnliche Reaktionen bei entsprechenden Abschlüssen?
Diese Fragen werden auch hierzulande intensiv diskutiert. Letztendlich liegt die Entscheidung für oder gegen eine Lizenzierung ja auch bei den Autor:innen, da sie den Verlagen die entsprechenden Nutzungsrechte einräumen müssten, falls sie es noch nicht getan haben. Und es gibt gute Gründe, die jeweils für oder gegen eine Lizenzierung sprechen.
Welche Rolle kann der Verband bei diesem Thema spielen?
Wir setzen uns auf politischer Ebene in erster Linie dafür ein, dass die Entscheidung für oder gegen eine Lizenzierung bei den Rechteinhaber:innen liegen muss. Wir sind der Ansicht, dass die Text- und Data-Mining-Schranke (TDM-Schranke) gemäß § 44b UrhG auf das Training von generativer KI nicht anwendbar ist, d.h. per se Lizenzierungen nötig sind, wenn urheberrechtlich geschützte Werke für das Training generativer KI genutzt werden sollen. Aber auch wenn man die TDM-Schranke grundsätzlich für anwendbar halten sollte, sind Nutzungen der Werke nicht erlaubt, sobald Rechteinhaber:innen einen Nutzungsvorbehalt nach § 44b Abs. 3 UrhG erklären. Hier mehren sich die Hinweise, dass Crawler trotz ordnungsgemäßer TDM-Nutzungsvorbehalte rechtswidrig Daten von Webseiten abgreifen. Bis zu einer Klärung des Anwendungsbereichs der Schranke muss daher zumindest gewährleistet werden, dass die KI-Unternehmen die Nutzungsvorbehalte auch beachten. Hierfür setzen wir uns vor allem auf europäischer Ebene im Verfahren rund um die Umsetzung des AI Acts ein.
Wir sind als Verband mit vielen Akteuren im Gespräch, mit Verbänden der Urheber:innen, mit Verbänden anderer Rechteinhaber:innen und natürlich auch mit der VG WORT. Die KI-Unternehmenslizenz, für die die VG WORT sich gerade Nutzungsrechte einräumen lässt, unterstützen wir beispielsweise. Aus unserer Sicht wird damit deutlich gemacht, dass die TDM-Schranke für das Training generativer KI nicht anwendbar ist, und zugleich wird für Unternehmen für den rein unternehmensinternen Bereich eine einfache Lösung angeboten, sich rechtskonform zu verhalten. Verlage und Urheber:innen haben zudem die Möglichkeit zum Widerspruch, wenn sie nicht möchten, dass ihre Werke für eine solche unternehmensinterne KI-Lizenz genutzt werden.