Subscription Fatigue? Hell, what?

Für viele Medienunternehmen funktioniert das Reichweitenmodell in Sachen Monetarisierung nicht mehr. Jetzt haben alle Abonnementangebote als Heilsbringer erkannt. Ist das aber immer im Sinne der Nutzer:innen?

Seit einigen Jahren pfeifen es nicht nur die Spatzen von den Dächern, auch valide Marktzahlen und Studien zeigen: Der Werbemarkt der Presse- und Fachverlage bricht ein. Das gute alte Reichweitenmonetarisierungsmodell funktioniert nicht mehr. Seitdem haben viele Medienunternehmen den Wert der Leser:innen (wieder) erkannt, der Schwerpunkt liegt jetzt bei Paywall- und Abonnementmodellen.


Brian Morrissey schlägt in seinem Publishing-Newsletter The Rebooting gerne mal mit spitzer Zunge zu: „Ich beschreibe die Verlagsbranche gern als eine Art (amerikanisches) Kinderfußballspiel. Wenn der Ball in einen Teil des Feldes fliegt, folgen ihm die Spieler in Massen. Das ist nicht der effektivste oder strategischste Ansatz, denn es ist reiner Instinkt, dem Ball hinterherzujagen.“ Wie derzeit dem Thema „Subscription“, dem Morrissey aber enormes Potenzial zuspricht: „Die größte Veränderung im digitalen Verlagswesen in jüngster Zeit ist die Umstellung auf Abonnements als Schlüsselaspekt eines nachhaltigen Verlagsmodells.“ Allerdings müssen Medien dazu einige Dinge verbessern: Abonnementangebote sind meist zu komplex, die Produktqualität muss verbessert werden – und Print-Denken muss verschwinden.

Und es fehlt tatsächlich nicht an Erfolgsmeldungen – gerade hat die New York Times den zweitgrößten Abonnentenzuwachs aller Zeiten verkündet. Gut, könnte man sagen, gerade die angloamerikanischen Verlage können mit diesem Wandel vermutlich besser umgehen. Aber wie sieht es hierzulande aus?

In der aktuellen „Paid Content“-Studie der Score Media Group zeigt sich: Die Zahlungsbereitschaft für Medienabonnements in Deutschland ist gestiegen. Besonders hoch war die Akzeptanz für Abo-Modelle übrigens bei jüngeren Nutzern (vermutlich durch Netflix, Disney+ und Co. an Abonnements gewöhnt) und in urbanen Gebieten. Interessante Effekt: die Bereitschaft, für digitalen Journalismus zu zahlen, war größer als für gedruckte Medien. Als Hauptgründe für die gesteigerte Zahlungsbereitschaft wurden die Wertschätzung von qualitativ hochwertigen Inhalten und der Wunsch nach werbefreiem Lesegenuss genannt.

Subscription Fatigue: Die Abonnement-Müdigkeit nimmt zu

Abonnement-Modelle geben also aus der Sicht eines (Medien)Unternehmens absolut Sinn – wie sieht es aber auf der Gegenseite, den Kund:innen aus, die mit einer Vielzahl solcher Angebote überhäuft werden? Das Wall Street Journal hat die Lage sehr treffend untersucht: Verbraucher sind es leid, für verschiedene Dienste zu zahlen und sich mit unterschiedlichen Anmeldeinformationen und Gebühren auseinanderzusetzen. Einige kündigen Abonnementdienste, um Geld zu sparen und ihr Budget besser zu verwalten. Zudem gibt es immer mehr kostenlose Abonnementsdienste, was es schwer macht, sich für kostenpflichtige Dienste zu entscheiden. Viele Verbraucher bemängeln die fehlende Transparenz von Abonnementdiensten in Bezug auf Preiserhöhungen, Vertragsbedingungen und Kündigungsrichtlinien.

Cosmin Ene, CEO von Supertab (ehemals Laterpay), formuliert es so: „Man kann kein Vertrauen und keine Loyalität aufbauen, indem man Menschen mit Abonnements überhäuft. Man baut Vertrauen und Loyalität auf, indem man Menschen die Wahl lässt, wie sie Inhalte konsumieren und dafür bezahlen möchten. Ein Abonnement in seiner derzeitigen Form ist keine Wahl – es ist eine Verpflichtung. Es verwandelt eine Gelegenheit in eine Verpflichtung. Und die meisten Menschen wollen sich nicht verpflichten. Es ist, als würde man vor dem ersten Date heiraten.“
„One Size fits all“ stimmt eben doch nicht…

Weitere Beiträge

Menu